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Juristische Fehler im Amazon Handel - Dr. Thomas Engels im Interview

Dr. Thomas Engels über juristische Fehler im Amazon Handel

Ein eigenes Business aufzubauen und zu führen ist für viele Menschen ein Traum, der oftmals nicht in Erfüllung geht. Angst vor Versagen, vor dem Finanzamt oder zu viel Bürokratie hemmt viele Leute den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Denjenigen, die sich diesen Schritt getraut haben, öffnet sich eine neue Arbeitswelt mit anderer Arbeitsweise und ganz anderen Pflichten.

Besonders Händler auf der Onlineplattform amazon.de können von Vorschriften und Fehlern, die man tunlichst vermeiden sollte, ein Lied singen. Markenrechte, Designrechte, Urheberrechte – nur um mal ein paar Dinge zu nennen, über die man sich als Amazon Seller kontinuierlich informiert sein sollte. Verletzt man eines dieser Rechte, flattert schnell mal ein anwaltliches Abmahnungsschreiben in den Firmenbriefkasten.
Ein Mann, der unter anderem solche Abmahnungsschreiben verfassen muss, um die Interessen von Händlern zu wahren, und sich mit dem Thema „Gewerblicher Rechtsschutz“ bestens auskennt, ist der Fachanwalt Dr. Thomas Engels.

Von fehlender Produktkonformität bis zu irreführenden Werbeslogans – Dr. Engels zeigt auch als Berater seinen Mandanten jede Kleinigkeit auf, die man auf der Onlineplattform falsch machen kann.

Im Interview mit Michael Hecker spricht  Thomas Engels drei unterschiedliche Themenfelder an.

1. Listingfehler – Mit Zertifizierungen in die Irreführung

DIN-Normen, Zertifizierungen, CE-Geprüft – Im eigenen Listing mit Normen und Zertifizierungen zu werben erscheint im ersten Augenblick als eine simple verkaufsfördernde Maßnahme. Doch sollte man dabei immer im Blick haben, was man mit einem CE-Geprüft aussagt und was es wirklich bedeutet.

Das Siegel CE-Geprüft sagt beispielsweise aus, dass der Hersteller bzw. Inverkehrbringer in eigenem Ermessen erklärt, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt. Das CE-Kennzeichen ist daher kein Qualitätssiegel. Es ist die reine Grundvoraussetzung, dass das jeweilige Produkt überhaupt in Europa verkauft werden darf.

Dem Käufer wird mit dem speziellen Hinweis auf das CE-Geprüft Siegel aber suggeriert, dass es sich dabei um eine besondere Qualität oder ein besonders sicheres Produkt handelt. Das ist irreführend und kann mit einer Abmahnung bestraft werden.

Wichtig nur für die eigenen Unterlagen: Jeder Händler muss für die jeweilige Charge des Produkts eine Konformitätserklärung abgeben, worin steht, dass der Artikel allen EU-Richtlinien entspricht. Für diese Dokumente gelten zehn Jahre Aufbewahrungspflicht.

Prüfnormen fallen ebenfalls in diese Kategorie. Kinderspielzeug beispielsweise benötigen als Basisanforderung für den Vertrieb in der EU das Prüfzeichen EN71. Diese Norm in seiner Description zu nennen ist zwar nicht verboten, aber man muss die Bedeutung davon erklären, sodass es nicht werblich, sondern informativ gemeint ist. Doch bei maximal 2.000 freien Zeichen ist der Platz für solche Erklärungen meist sehr begrenzt.

 

Die unverbindliche Preisempfehlung

Diesen Begriff hat sicher schon jeder Mensch einmal in irgendeiner Werbung gehört. Damit aber einfach so zu werben, kann ebenfalls einige Stolpersteine bereithalten. Denn auch hier muss der Händler wissen, was die unverbindliche Preisempfehlung eigentlich bedeutet und was dafür nötig ist, um diese auszurufen.

Die unverbindliche Preisempfehlung wird vom Hersteller, also dem Private Label Seller“ an den Handel gegeben.

Um diese abgeben zu können, muss man als Hersteller vorab schon einmal eine Preisempfehlung ausgesprochen haben. Als Private Seller auf Amazon ist das aber meistens nicht der Fall, da man für gewöhnlich erst einmal im Eigenbetrieb auf der Plattform unterwegs ist, anstatt Preisempfehlungen auszusprechen. Daher ist es unzulässig damit zu werben.

Ein weiterer Fehler im Bezug auf Preisempfehlungen ist einer, den noch immer einige Händler machen. Wenn man aus seinem Preis einen Streichpreis macht – also einen vorherigen Preis durchstreicht, einen neuen darunterschreibt und mit dem Preisnachlass wirbt.

Dabei vergessen aber viele, dass Produktpreise leicht automatisiert ausgelesen werden können und somit leicht nachvollziehbar ist, zu welchen Preisen das Produkt effektiv angeboten wurde. Ist über einen gewissen Zeitraum keine Preisänderung zu erkennen und wird dennoch mit einem Streichpreis geworben, ist das Irreführung und kann abgemahnt werden.

Das Wettbewerbsrecht gibt vor, dass ein Preis über einen angemessenen Zeitraum gefordert werden muss, bevor man mit ihm als gestrichenen Preis wirbt. Dieser Zeitraum ist nicht klar definiert und kommt immer auf den Einzelfall an. Dr. Engels rät jedoch dazu, dass man grundsätzlich zwei bis drei Monate einen Preis gefordert haben sollte, um auf der sicheren Seite zu sein.

2. Die Grundpreise – pro Gramm oder pro Stück?

Im deutschen Gesetz ist die Preisangabenverordnung verankert, mit der Preisklarheit und Wettbewerb gefördert werden soll und die Händler zur Grundpreisangabe zwingt.

Die Grundpreisangabe kann dabei unterschiedlich ausfallen. Denn der Grundpreis einer Tapete verhält sich anders als der Grundpreis von Kaffeepulver.

Beispiel Kaffee:

Kaffee wird in den meisten Fällen als Pulver verkauft. Deshalb muss man als Händler von Kaffeekapseln die Nettofüllmenge des darin enthaltenen Kaffeepulvers angeben.

Allgemein gibt es drei wichtige Fragen, die man sich zum Thema Grundpreise stellen muss:
  • Wann muss ich einen Grundpreis angeben?
  • Was muss ich tun, wenn etwas bei der Grundpreisangabe schiefgelaufen ist?
  • Was muss ich tun, wenn ich auf einer Verkaufsplattform diesbezüglich schon einmal abgemahnt wurde?

Zu den beiden letzteren Fragen hat Thomas Engels einen gut gemeinten Rat für jeden Amazon Seller.

Niemals sollte man eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Denn in der Seller Central von Amazon kann schnell mal etwas schief gehen, wofür man als Händler eventuell in diesem Moment nichts konnte. Und man kann auch nicht garantieren, dass solche fehlerhaften Angaben, die automatisch von Amazon angegeben werden, nie wieder passieren. Unterschreibt man aber ein Dokument, in dem man das versichert und es kommt erneut vor, steht man schnell vor vierstelligen Vertragsstrafen, die besonders kleinere Händler in große Schwierigkeiten bringen können.

Also sollten Händler immer im Blick haben:
  • Was kann die Onlineplattform alles tun und macht dies auch selbstständig?
  • Was kann ich auf der Plattform selbst beeinflussen?
  • Und was davon kann ich auf etwaige Fehler überwachen?

Denn als Händler auf Amazon weiß man, dass Listing-Informationen durch Dritte geändert werden können. Daher ist jeder Händler auf der Plattform in einer Überwachungs- und Prüfpflicht.

Ein weiterer Rat von Dr. Thomas Engels:

Man sollte zu jederzeit einkalkulieren, dass sich im Bezug auf die Grundpreisangaben kleine Fehlerteufel einschleichen können, für die man abgemahnt wird und eine Strafe zahlen muss. Im Zuge der Kalkulation ist also ein gewisses Budget in der Hinterhand nicht verkehrt, da ab einer bestimmten Anzahl an Produkten im Sortiment niemand zu 100% versprechen kann zu jederzeit rechtssicher zu handeln.

3. Produktrezensionen

Das Thema Produktrezensionen beschäftigt die Händler-Community schon seit langer Zeit. Amazon kämpft immer stärker gegen das Kaufen von positiven Kundenrezensionen, da diese ja selbstverständlich auch eine große Auswirkung auf den Verkaufserfolg haben. Das Oberlandesgericht in Frankfurt hat im Zuge der Bekämpfung von falschen Kundenrezensionen dem Betreiber einer Agentur für genau diese Dienstleistung das Geschäft verboten.

Dass gekaufte Kundenrezensionen verboten sind, ist sicher jedem klar, da es sich dabei um Schleichwerbung handelt. Aber auch das Erbitten in der Rechnungsmail oder gar direkt auf der Rechnung, sind ebenfalls nicht erlaubt.

Genauso verhält es sich bei Produktbeileger in den Sendungspaket. Zwar nicht aus juristischer Sicht, aber aus der Sicht von Amazons „Terms of Service“, in der das Beilegen von Flyern mit der Bitte um eine Rezension als nicht erlaubt deklariert ist.

 

Fazit:

Der Schritt in die Selbstständigkeit als Amazon Händler birgt viele kleine und große Stolpersteine, die es zu umgehen gilt. Auch wenn man sich im Wettbewerbsrecht immer an die Vorschriften halten möchte, ist niemand vor Fehlern gefeit. Eine ausführliche Rechtsberatung kann in diesem Fall eine gute Möglichkeit sein, um schon vor dem Listing übliche Fehler auszumerzen und mit gutem Gewissen in den Handel zu starten.

Für Rechtsfragen steht Dr. Thomas Engels gerne zur Verfügung.

Habt Ihr weitere Fragen an uns? Postet diese gerne in die Kommentare. Wir helfen immer gerne.

 

 

 

 

Zur besseren Übersicht der Inhalte:

Zeit Thema
00:00 Intro
01:06 Thomas, wie bist Du zur Juristerei gekommen?
03:10 Zur Abgrenzung: Auf welche Rechtsgebiete bist Du spezialisiert?
04:56 Listing-Fehler: DIN-Normen und CE-Kennzeichnung
09:18 Listing-Fehler: Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) und Streichpreise
12:13 Listing-Fehler: Grundpreise und die Preisangabenverordnung (PAngV)
17:13 Überwachungs- und Prüfpflichten von Amazon Händlern
24:50 Stichwort: Buy Box Wettbewerb
Wie lassen sich Listings abgrenzen / monopolisieren?
29:08 Stichwort: Kundenrezensionen
Was ist erlaubt und was ist verboten?
40:41 Thomas, wie kann man dich kontaktieren?

Die Kontaktdaten von Thomas findet Ihr unter:
lexea.de/kontakt.html

Abschließend möchten wir noch Stefan Grimm und Kerstin Manke für die Organisation der IAW und die Einladung zur E-Commerce Arena danken.

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